Mittwoch, 21. Juli 2010

Kribbeln... jaja das liebe Kribbeln im: Bein

Nur wenige Stunden in der Stadt und das Kribbeln in den Beinen arbeitet sich langsam aber bestimmt nach oben. Das Sitzen wird schwieriger, der Drehstuhl spielt mit meiner Unruhe. Gemeinsam schwingen wir uns durch diesen Bürotag.
Vor meinem Fenster donnert und blitzt es, passend zur Stimmung. Weiterziehen heißt es, weiter, weiter, weiter. Seit sechs Tagen war ich höchstens 48 Stunden an einem Ort. [...] Denn sie wissen nicht, wo sie hinwollen diese Beine, alles fühlt sich wackelig an, wie der Tritt ins Leere sind diese Tage. Kiew war wabbernd, heiß, verschwitzt, ein wenig abgestanden und schal. Diesig vor meinen Augen, vertraut fremd nach nur vier Wochen Abwesenheit. Nach zwei Tagen schien alles erledigt auch die beginnende Nostalgie. So zogen wir weiter. Meine neue Liebe: Dresden. [...]
Wann hört das irgendwann einmal auf? Vielleicht sollte ich einfach keine Rollen an Bürostühlen haben.

Montag, 12. Juli 2010

wieder am Ort des Geschehens

nein noch nicht aber bald! Freitag genauer gesagt, und nachdem ich eben erfuhr, dass die Auswahl - der Grund meiner Reise - bereits 2 Tage früher und somit ohne mich stattfindet und mein Aufenthalt etwas spät startet, fühlt es sich noch ein wenig mehr nach Betriebsausflug an als eh schon. Nur, dass die Vehikel der Rückreise noch nicht feststehen. Es bleibt abzuwarten, ob ich es am 20. oder 21. wieder nach Berlin schaffe. Soweit der Plan. Momentan muss ich noch feststellen, dass ich mich doch wieder gut in der bekannten und doch fremden Heimat eingelebt habe, nachdem der Muskelkater am Hintern von meinem Sportsattel nachliess, ich mich der Funktionen meiner gesammelten Kräuter wieder erinnerte, mich von der Sprenkleranlage im elterlichen Garten von allen Seiten nass spritzen ließ, da sich heimische Temperaturen den ukrainischen Sommergraden anglichen. Kurz gesagt, ich entdecke immer mehr Parallelen; im Verhalten einzelner Mitmenschen hüben wie drüben und auch im Alltag. Aber dazu mehr, wenn ich mich von meinem letzten Sommerabend im Grünowski gebührend verabschiedet habe, bevor die Fahrt durch deutsche Lande morgen weitergeht.

Mittwoch, 7. Juli 2010

(Fach)-hochschulheimatstadt

So schlimm ist es hier ja gar nicht, dachte ich, als mir eben der Fahrtwind ins Gesicht blies, ich mich beglückwünschte die Brille zu tragen gegen die kleinen Insekten, die in dieser Hitze für sie auch zu später Stunde nicht müde werden mich anzufliegen.  Nur ich und ein Greifvogel der weit über mir seine Runden an einem blauen Julihimmel dreht, bevor die Sonne hinter den Kalkbergen zu meiner Linken verschwand. So schlimm ist es ja gar nicht. Die viel beschriebene Unzufriedenheit ist gewichen, seit dem mein schwarzer Gefährte mit aufgepusteten Reifen und ich mit Kamera durch die alte Heimat streifen, Lindenblüten und Johanneskraut sammelnd und all die Bücher lesend, die seit Monaten ihrer Daseinsberechtigung harren.

[...] Ich sitze in meinem Zimmer vor meiner Agatha Christie Sammlung, die nur 90 cm von mir entfernt steht, denn das Zimmer meiner Jugend ist nicht nur schmal, es ist auch voll. Nicht nur mit den Dingen, die ich hier ließ um sie nie zu vermissen. Alles ist hier, alles was ich besitze und nur selten in meiner Kiewer Zeit schmerzlich entbehre. So ist das also, der kleinen Dinge, die man lieb gewonnen glaubt, erinnert man sich nie. Eine minimalistische Existenz, seit dem mein Rechner stiften gegangen ist, versammle ich gar mein gesammeltes digitales Gedächtnis auf 2 MB.
[...] Ich glaube, ich möchte mich arbeitslos melden.“ So passiv sagte ich diesen Satz, dass die Dame hinter dem Tresen überrascht aufschaut und lächelt. „Aber ich möchte keine Leistungen beziehen.“ Ja das ist eher ein Satz, der nach mir klingt. Die ganze Prozedur eine Farce, meine Betreuerin empfiehlt mir mich doch besser selbst noch einmal einzuloggen in mein Profil, weil sie sich nicht sicher ist, ob sie mich in allen Punkten richtig verstanden hat. „ Also Sie haben studiert? – Einen Abschluss? Haben Sie den etwa auch?“ – „ Ja, natürlich“ – „Aber leider kann ich Ihr Fach nicht finden, wie wird das noch einmal buchstabiert?“ – Gut, dass das nur ein temporärer Zustand ist. Hoffen wir, dass ich auf diese Institution nie angewiesen sein werde. Schlimm nur, dass ich immer so schnell unleidlich werde.
[...] Nordhausen-Hochschulstadt, etwas geflunkert vielleicht, gibt es hier doch erst seit wenigen Jahren eine Fachhochschule. Na, man soll immer ja das Positive herausstellen. Das merke ich mir ab jetzt für zukünftige Bewerbungen.

Montag, 5. Juli 2010

Carrel 446 oder sprachlos in Jena

nun sitze ich hier in Jena, gar in einem dieser kleinen Räumchen, von denen ich dachte, sie nie wieder zu betreten, weil die Erinnerungen der Magistertage nicht die besten sind, aber nein ich sitze hier, die Zeit scheint wie zurückgedreht, ein gutes Jahr zurückgedreht und ich sitz vor diesem Blog und denke, das ist deins?

Als ich ankam, sprach ich wenig, weil das Ankommen wie in Trance verlief. Ein viel zu eng gesteckter Reiseplan ohne Schlaf dafür mit viel Kaffee in dem ich das Fernweh ertränkte, Thesenpapiere ausgedruckt und rein ins Seminar und schon mitten auf dem Universitäts-Sommerfest, wo die Gesichter der letzten sieben Jahre herumsprangen, völlig übernächtigt und vor Erschöpfung hippelig beging ich diese ersten Wochen. Nun ist es ruhiger, die Ruhe macht mich unzufrieden, weil ich sie nicht mehr kenne, weil ich sie noch nie mochte und weil es die Fremdheit noch viel deutlicher spürbar macht.

Als ich ankam, sprach ich wenig, weil ich auch wenig gefragt wurde. Das machte nichts, ich kannte das schon aus Finnland. "Ach du warst weg? Das macht nichts, jetzt bist du ja endlich wieder da."(...) "Nun dein Pony ist kürzer aber sonst?" (...) "Nö, ganz die Alte, etwas müde vielleicht, aber sonst,... schön, dass du wieder da bist. (...)

Als ich ankam, sprach ich wenig, weil ich es nicht konnte. Es erschien so kostbar,  um es mit dem Aussprechen zu entzaubern. Die Geschichten, Gefühle, Begegnungen kann ich nur leidlich teilen. Sie verblassen mit dem Erzählen; wie die Folklore-Bluse, die ich erstand aus 100 ausgesuchten, die nicht sein musste, aber doch dazu gehört, auch wenn ich wiederkomme, ohne Sophia hätte ich sie nie gesucht. Sie entlockte meiner Mutter einen Schrei des Entsetzens und schon wich das Rot des Kreuzstichs wie von Schneewittchens Wangen in meiner Wahrnehmung. Nun verteidige ich sie trotzig, das Rot bleibt weg.

Und so erzähle ich manchmal von der Hitze und den Gewittern, aber sonst? Die Geschichten sind wie weggeblasen aus meinem Kopf, weil das Konservieren eher einem Wegschließen gleicht und ich hoffe, dass sie wiederkommen, wenn ich hier endlich angekommen bin in der mir so fremden vertrauten Welt.