Donnerstag, 30. September 2010

Regenmatt

Regenmatt.
Matt regnet es gegen mein Fenster
 - seit Stunden schon. 
Mattsatt vom Regen und der Stadt,
der Stadt im Regen, liege ich im Bett. 
Regenmatt

Sonntag, 26. September 2010

faul(ig)e Sonntage

Diese Stadt ist heiß oder kalt, ich liebe alles oder ich ertrage nichts. Himmelhochjauzend durchwandere ich die Institutska, die schon in Meister und Magarita eine Nebenrolle spielt. Das krisselige Laub der Kastanien, schon vor seiner Zeit braun raschelt zu meinen Füßen und sonnengelb im Septemberlicht. Ab und zu kracht es neben mir. Die besonders schönen tausche ich mit denen aus, die schon seit Tagen meine Jackentaschen verstopfen und weiter geht das Spiel. Kindlich freue ich mich auf das Frühjahr, wenn ich die Winterjacken mit dieser wechsle und einen kleinen schrumpligen Gruß aus dem Vorjahr finde.


Ein fauler Sonntag, den ich mit der ukrainischen Version eines Flohmarktes begonnen habe, dutzende aneinander gereihte Container, in denen echte europäische Ware angepriesen wird, auf Wühltischen, matt, mit trockner Kehle und angewidert wende ich mich bald ab. So schließt sich der Kreis, hier landet das Zeug, das wir aussortieren, schafft wieder Konsum und Arbeitsplätze und wird irgendwann auf die Tische noch ärmerer Länder wandern. Gern würde ich Konsum geißelnde Gespräche führen, aber die Ukrainerin mit der ich unterwegs bin, schaut mich verständnislos an. „Wir haben halt Pech gehabt an diesem Wochenende, die guten Sachen waren schon weg“ und zieht mich zu einem Stand abgelaufener französischer Kosmetik. Zu mir wandert an diesem Sonntag jedenfalls nichts und ich entscheide mich wieder auf meine, die richtige Flussseite zu fahren, wie es die Westler nennen und dabei fühlt es sich so echt an hier, so ist Kiew abseits der Gegenden, in denen ich mich bewege, das eigentliche Kiew. Wo die Armut als Geschäft getarnt ist, wie Herta Müller schreiben würde, wo die Metro ungewohnt gemütlich vorwärts ruckelt, weil die Schienen nicht mehr hergeben, wo eine orthodoxe Nonne singend durch die Waggons zieht, mit einem Papierjesus. Gemeinsam wälzen sie sich durch die Massen dieses Sonntags, die alle auf die richtige Seite der Stadt hinüberwollen.

Ich staune wieder, denn irgendwie ändert sich mein Blick. Ich sehe nicht mehr die alten Metrowaggons, die jedem Gast aus Deutschland einen Kommentar wert sind, ich stolpere schon lange nicht mehr durch die Schlaglöcher dieser Stadt oder ärgere mich über drängelnde schubsende Metrofahrer, die einen besseren Platz ergattern wollen, habe mich an Babuschkis satt gesehen und fotografiert.
In der Sonne suhlt sich ein kleiner Streuner, dass er ganz traurig guckt, dichte ich seinem Blick erst später zu. Denn nicht unweit liegt ein ebenso kleiner wolliger schwarzer Körper, nur dass die Wespen verdächtig zahlreich um ihn summen. Blutverschmiert und leblos liegt er mitten im Zentrum Kiews und ich schaue verstört nach anderen Passanten, die das gleiche fühlen wie ich. Aber sie ziehen unbeteiligt weiter. Der Winter bleibt ihm erspart, tröste ich mich erfolglos.

Die gleiche Straße, das gleiche Licht und doch ertrage ich diese Stadt nicht mehr, deren goldene Sonntagskuppeln aus der Ferne glänzen. Die Stimmung schwappt. Ich kann sie nicht mehr sehen, diese alten müden Gesichter des Ostens, den Schmutz, den Müll zu meiner rechten der von den Massen der immer wiederkehrenden Großveranstaltungen am Wochenende zurückbleibt. Ihr Geruch frisst sich in meine Nase, sie haben sich nicht weit entfernt ins Gebüsch geschlagen, außer Unkraut wächst hier nichts. Die halb zerfallenen Stufen machen mich wütend, wie die schwarzen Jeeps, die zu meiner linken an mir vorbeirauschen. Keinen kümmert dieser Kontrast, dieser Widerspruch, gebückt bewegen sich die meisten vorwärts, schleppen sich, wenig schreckt sie aus ihrer Lethargie. Das Leben als irdische Prüfung. Ich erkenne, dass ich mich hier noch so gut auskennen kann, verstehen kann ich die Regeln dieser Stadt, dieses Landes nicht, bleibe fremd. Der Maydan leuchtet mittlerweile in der Abendsonne unter mir, aber ich kann ihn nur riechen, den Staub, den Dreck, diesen Geruch, den es nur hier gibt. Er heißt Osteuropa und der mich betäubt, wie die Leute die stoisch an mir vorüberziehen. Ich beginne ihn auch an mir zu riechen, so oft ich mir auch die Hände wasche. 

Kein fauler ein fauliger Sonntag unter der Oberfläche der Herbstsonne.

Sonntag, 19. September 2010

Carlos Marx

So werden nicht anderssprachige Philosophen ins Spanische übertragen, erzählt eine in feucht fröhlicher Runde, die zum Ukrainischlernen aus Ankara nach Kiew gekommen ist. Es ist Freitag und ich fühle mich etwas in meine Erasmuszeit versetzt, nur dass es eben nicht mehr meine ist und ich brav vor 12 nach Hause ziehe, weil mir die Rotwein-Cola irgendwie nicht über die Lippen geht. Zeiten ändern sich, abgedroschen aber wahr.
Dabei denke ich an Finnland so oft wie schon lange nicht mehr, als ich gestern statt seiner Exzellenz dem Botschafter der Bundesrepublik und Frau Birthler, die von der Birthler Behörde zu lauschen, mit einer Finnin und ihrem Chef dem Botschafter, seiner Exzellenz aus Finnland erst über deutsch-deutsche Geschichte plauderte, um dann bei finnischen Biersorten, Fährerlebnissen und weitläufigen beschaulichen Städten anzukommen, war ich wieder ganz da. Ich konnte den finnischen Herbst riechen und das Licht am See beschreiben.

Das zweite Jahr wird besser sagten alle, dass es anders ist, kann ich bereits jetzt bejahen. Es ist weniger aufgeregt, weniger anstrengend, auch wenn das Arbeitspensum das gleiche ist. Aber ich kenne meinen Platz besser, meine Möglichkeiten an denen es sich lohnt zu kämpfen und wann es einfach Energieverschwendung ist.
Ich schaue mir mittlerweile russische Filme im Kino an und freue mich über die Unterschiede zu den ukrainischen Untertiteln, beschreibe den Weg zur Metro und schlage mich so durch, auch wenn immer noch gebrochen. Soeben wurde ich als eine "total bitch" bezeichnet und frage mich immer noch was dran ist. War ich eingebildet, mein Desinteresse zu deutlich, ich weiß es nicht. es wird wohl etwas dran sein.

Sonntag, 12. September 2010

Herbstzeit

Manchmal kommt einem ja so manche Entscheidung im Nachhinein besonders bekloppt vor. Aber dass es vielleicht irgendwann einmal Leser dieser Seiten geben könnte, die mich schriftlich auf "Vecna?" ansprechen würden und ich die nach oben gerissene Augenbraue durch den Bildschirm spüren kann, nun das hätte ich ahnen können. Um mich all denen zu erläutern, die es auch schon immer verstanden haben, aber zu höflich waren, um mich darauf aufmerksam zu machen. Wie nennt man sich, wenn man zuvor entweder nach der verdächtigen Bezeichnung der eigenen Straße oder dem Land des letzten Auslandsaufenthalts gegriffen hat aus lauter Kreativlosigkeit, man wählt einen Namen, der sich aus dem ersten Vokabelrepertoire speist. Nur soviel, ich hätte mich auch Gabel nennen können, ähnlich melodisch aber ähnlich bekloppt.

Und sonst? Ich arbeite wieder. Die Geschichten sind eher wieder Momente von Frust im Alltag, von neuen und alten Gesichtern. Etwas Routine, aber keine Langeweile. Das Gefühl der Überforderung ist jedenfalls gewichen und in diesem traumhaften Herbst lässt es sich schwer an die tränenvollen Abschiede von Deutschland denken und noch weniger an den kommenden Winter.
Es wird wohl etwas ruhiger auf diesen Seiten. Denn das Staunen, das mich antreibt, ruht sich im Altbekannten aus - na mal abwarten.

Neulich lernte ich übrigens ukrainische Volkstänze, brachte beim Zählen meine Tanzpartner durcheinander und lachte mich leider meist allein darüber schlapp. Mir fehlt eben die nötige Reife für diese Dinge, in diesem Sinne

Eure J.

Mittwoch, 1. September 2010

Die Zeichen der Macht

Stellen wir uns vor, der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland ehemals Horst Köhler, nun wie hieß er doch gleich... keine Sorge keine Geschichte mit parteipolitisch motivierter Antipathie gegenüber, mir fällt der Name nicht ein,  nun gut...

also von Beginn, stellen wir uns nun also besser vor, Bundeskanzlerin Angela Merkel bricht zu ihrem Sommerurlaub nach Rügen auf, sie ist ein Sonnenkind, denn mitten im Sommer geboren, gehört sie zu den Glücklichen, die Gartenparties zu ihrem Geburtstag veranstalten können. Sie lädt hierfür aus unterschiedlichen Bereichen der Republik die Crème de la Crème der besseren Gesellschaft ein und sperrt dafür einfach einen halben Tag alle Zufahrtswege von Stralsund nach Bergen, zwingt die Autofahrer nicht nur zum Warten in brütender Julihitze, sondern schickt sie mit ihren Fahrzeugen in den Wald, so dass die Straßen frei sind, wenn die Gäste anrollen. Auf Nachfrage, wie lang das Warten andauern soll, werden die Autofahrer rüde abgekanzelt: "In den Wald. Schnell" Unvorstellbar?

Dann kommt in die Ukraine, seit diesem Jahr ist so etwas hier wieder möglich.