Samstag, 7. Mai 2011

Kopfkino

das meiste spielt sich in meinem Kopf ab. Das war schon immer so. Je größer die Erwartungen und gemalten Bilder in meinem Kopf, desto größer die Ernüchterung, desto entschiedener meine Standpunkte, von denen ich nur schwer wieder abrücke. Die durchdachte Bekanntschaft zu meinem ukrainischen Schauspieler aus der Provinz hat so genauso wenig Chancen, ist abgehakt, bevor sie überhaupt begonnen hat, wie das beschauliche Moldawien, das ich mir in den buntesten Farben, in den schauerlichsten Gangstergeschichten malte, dass alles was kam, nur enttäuschen konnte.
Dabei liegt das nicht an Moldawien, das enttäuschte, sondern einzig an mir, an meinem Kopfkino.

Noch nie zuvor hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, was ich eigentlich noch alles im Leben erreichen wollte, bis ich die winzige Maschine der Moldovan Airline nach Chisinau bestieg, die so klein war, dass den Reisenden selbst das Handgepäck abgenommen wurde, da es keine Verstaumöglichkeiten gab. Eingeklemmt in seine Fahrerkabine schaute uns der Kapitän an, der wirkte als müsse er den Kopf einziehen. Aber selbst diese Erfahrung entpuppte sich als harmlos.
Plötzlich, so dachte ich, verstanden zu haben, warum mich alle Ukrainer so entgeistert anguckten, als ich von meinem Reiseziel berichtete. "Was willst du da" war die zweithäufigste Frage nach "was gibt es dort?", immer schön den Osten weiter verschieben. Dabei ist Moldawien geographisch westlicher, was aber nicht davon abhält, den kleinen Nachbarn abzuwerten.

Unter uns im Schein der Abendsonne lagen viele kleine Quadrate mit unterschiedlicher Färbung, die auf unterschiedliche Nutzung hindeuteten, akkurat gezogene Winkel auf viel Liebe oder Pragmatismus: Es schien, als sei kein Flecken Erde ungenutzt. Als ich während der Reise durchs Land das ein oder andere Mal alte Leute den Karren ziehen sah statt ihrer Pferde, die ausgemergelt am Rand standen, wusste ich warum. Moldawien ist ein Agrarland, auch wegen der Not und Alternativlosigkeit. Aber kann man es seinen Bewohnern abgesehen von abgetragener Kleidung ansehen? Ich würde sagen: nein. Die Menschen lachen wie andernorts, flanieren und freuen sich an der Frühlingssonne. Und das ein gesamter Bus Anteil daran nimmt, ob ich die richtige Haltestelle in Chisinau finde und meinen Schuh sucht, den ich bei einer Umräumaktion bei beschränktem Platz verlor,  habe ich so in Kiew noch nicht erlebt und hat schön aufgeräumt in meinem Kopf.

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