Sonntag, 20. August 2017

Tag 5: Rifugio Barbara Lowrie nach Plan Melze della Regina

Das Paradies entpuppt sich am Abend als ein hellhöriger Pappkarton, als drei kleine Jungs im Nebenzimmer nicht einschlafen wollen. Sind sie nach langen Verhandlungen ruhig gestellt, diskutieren die Kinder im Nachbarraum mit ihren Eltern. Elternsein in Italien scheint eine Herausforderung zu sein, jeder Einschlafprozess eine neue Verhandlungsrunde. Irgendwann schlafen alle und nur der kleine sanfte Bach plätschert vor dem Refugio Barbara Loire (1763). Wir rächen uns am nächsten Morgen mit einem frühen Aufbruch, denn der Vortag hat uns gelehrt: Früher loslaufen, heißt weniger Hitze am Berg und bessere Aussichten und auch diesmal werden wir wieder belohnt werden.
Nach uns stolpert die Hüttenwirtin die Treppe hinunter. Wenige Wanderer scheinen schon 7.30 Uhr die Rucksäcke zu satteln. Außer uns gibt es auch keine GTA-Wanderer weit und breit. Wenn wir mit Tischnachbarn unsere Touren diskutieren und nachfolgenden Etappen ernten wir immer erstaunte Blicke. Die meisten im Val Pellice scheinen Genusswanderer zu sein, mit kurzen Wanderungen und umso längeren Einkehren - verständlich bei diesen 3-Gänge-Menues, die wir abends immer vertilgen.

Im Hintergrund ein weißer Streifen des Monte Rosa
Der Himmel ist tief blau, die Luft klar, als wir uns aufmachen und hinter dem Rifugio eine Wiese hinaufsteigen. Ein wunderbarerer Wanderweg schlängelt sich im Schatten einen Lärchenwalds, wenige Camper haben sich im hinteren Teil des Tals niedergelassen und schlafen noch. im Hintergrund rauschen zwei Wasserfälle, die wir zwar hören, aber hinter den Bergkämmen nicht mehr sehen können. Wir sind schnell an diesem Morgen und nehmen die ersten 300 Höhenmeter an diesem Tag wie geplant. Als der kühlende Wald ein Ende nimmt, schreibt unser Rother-Wanderführer erhaschen wir beim Steigen auf den Colle Proussera (2198m) links von uns bei guter Sicht einen Blick auf das Monte Rosa Massiv, das uns bei unserer letzten Wanderung ständig austrickste. Immer wenn wir wieder an einer Stelle für einen Blick standen, schoben sich dichte Wolken davor oder wir selbst standen mitten in einer Wolke, die sich abregnete und wir froh waren unsere Händen vor den Augen zu sehen.


Da wir auf unserer Karte den benannten Bergrücken nicht so recht zwischen den verschiedenen zur Auswahl stehenden erkennen können, laufen wir einfach unseren Wanderweg weiter und siehe da, ohne Bergrücken zeichnet sich deutlich der Monte Rosa ab - 10 Minuten später ist das Massiv schon wieder hinter einem Wolkenband versteckt und wir freuen uns über unseren heutigen Erfolg. 
Der Aufstieg ist nun mitten in der Höhensonne steil und anstrengend, gesäumt ist der Weg von tiefvioletten Blaubeeren, die uns zur Rast überreden wollen, aber wir ziehen weiter bergauf. Auf dem Sattel angekommen, geht es kurz auf Blockfeldern bergab, bevor wir den letzten Aufstieg dieses Tages nehmen zum Colle della Gianna auf 2 525 m.

Die Wege sind schmal aber gut ausgeprägt und die Aussicht auf den Mon Viso belohnt die letzten Meter durch eine karge Gesteinswüste. eigentlich werden wir fast überrascht von seinem Anblick - so groß und erhaben haben wir ihn bisher gar nicht gesehen. Den König der Berge. Wolken tanzen um seinen Rücken und nur ein kleines Fenster haben wir um zu dritt zu posieren. Wir und der Berg. Dann sind es nur noch wir und die Wolken vor dem Berg.
Aber das Wetter ist gnädig mit uns. Der letzte anstrengende Aufstieg ist von einer Wolke gesäumt, die uns die sengende Sonne zumindest für diesen Abschnitt erspart. Wir sind dankbar, denn es weht hier auch kein Lüftchen.
Beim Aufstieg werden wir von Vater und Sohn überholt, die sich aber beeindruckt zeigen, als wir berichten, dass wir auf die GTA laufen und in Ghigo die Prali gestartet sind. Das stärkt immer die Moral - eben noch überholt von einem 70 jährigen, der uns für unsere Wandertour bewundert. Aber wir haben Gepäck dabei für 2 Wochen und lassen uns gern von sportlichen Rentnern überholen, denn die letzten Tage haben ihre Wirkung gezeigt: Wir sind fit. Der Aufstieg auf 2525m hat zwar angestrengt, aber wir sind auch schnell wieder erholt und springen am Colle herum, als wären wir gerade erst losgegangen. Auch unsere Zeiten verbessern sich. Es ist 11.30 Uhr als wir den höchsten Punkt unserer heutigen Etappe erreichen unterbrochen von Fotostopps und zwei Esspausen zur Energieversorgung von mir.

Wir haben die Provinz Turin am Colle della Gianna hinter uns gelassen und laufen nun im Gebiet Cuneos weiter. Der Abstieg nun ist komplett in Sonne getankt, der Mon Viso begleitet jeden unserer Schritte, auch wenn er sich da schon längst wieder in Wolken gehüllt hat. Der Abstieg ist mühselig, weil es um die Mittagszeit schon so heiß ist, als wir an einer Kuhweide die Straßen entdecken, wähnen wir uns schon kurz vor dem Ziel, aber nun heißt es noch einmal 300 Höhenmeter bergab bis wir Pian Melze della Regina erreichen. Wir nehmen die Asphaltstraße streckenweise, die glüht und uns für diesen Tag den letzten Sonnenrest geben wird.

Am Pian della Regina ist die Hölle los - es ist Wochenende und die motorisierten Touristen sind vielzählig. Eine völlig neue Erfahrung soviel Menschen auf einmal nach der Einsamkeit unserer Wanderungen, wo wir selten andere Wanderer trafen. 
Wir ziehen uns in das schon fast luxuriöse Posto Tappa zurück und schlafen die Sonnenmüdigkeit weg. Abends wartet ein opulentes Mahl auf uns, da ist es schon wieder ganz still am Platz. Die meisten Besucher sind wieder abgereist, zurück bleiben die Dauercamper, die sich im Café über eine sehr laue Nacht und den Sternenhimmel freuen. 


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