Während in Kiew die Oppositionsparteien glauben machen wollen, eine neue Protestbewegung ins Leben rufen zu können, die sie und das Land eint, um eigentlich neue Gräben aufzumachen, bereitet sich Sevastopol auf die kommende Urlaubssaison und die Parade zum 9. Mai, dem 65. Jahrestag des Sieges des Großen Vaterländischen Krieges vor. Denn die Hafenstadt mit stalinistischer Prachtstraße in weiß ist eine Heldenstadt, mit Stalingrad und Moskau wird sie genannt. Überall hängen Plakate an diesem ersten Maiwochenende, an dem es uns auf die Krim zieht. Die Siegesschleife orange-schwarz gestreift schmückt schon seit Wochen Damentaschen, Rückspiegel und Autotüren. Aber dass Tausende vor Kiews Parlament demonstrieren, dass es zu Ausschreitungen kommt, im Parlament Eier und Rauchbomben fliegen wegen der Flotte und der Stadt, davon merkt man hier nichts, wo es nur einmal Ärger gibt, als ich zu leger die Füße auf einer frisch gestrichenen Museumsbank ablege.[…]
Es ist eine stolze Stadt, mehrfach begegnen wir Sevastopolern, die uns musikalisch unterstützt durch die Hintergrundmelodie ihres Handys den Sevastopol-Walzer schmettern, singen träfe es nicht, nein sie schmettern ihn in einer Leidenschaft, die mich peinlich darin erinnern lässt, wie im letzten Jahr ein ukrainischer Alumni die Hymne „in Jene lebt sichs bene“ anstimmte und keiner der 20 Anwesenden einstimmen konnte, alles Jenaer und Jenenser ihres Zeichens. Sogar die Promenaden-Band wird für uns engagiert um den gerade erst gewonnenen deutschen Freunden die Hymne vorzutragen.[…]
„Wo arbeiten Sie“, werde ich gefragt, „an der Kiew Mohyla Akademie?- Alles Propaganda dort“, dass die eigene Argumentation über die Abstammung der Slawen nicht ganz astrein ist, stört nicht, es geht auch nicht darum in ein Gespräch zu kommen, Argumente auszutauschen und sich für anderen Ansichten zu interessieren, eher wird die eigene Meinung lautstark vertreten. Sie soll provozieren, tut sie aber nicht, denn ich stehe diesem innernationalen Konflikt emotionslos gegenüber und so verlaufen die Provokationen zur Abspaltung der Krim ins Leere, zur These der mordenden Ukrainer an der polnischen Bevölkerung im zweiten Weltkrieg oder Unkultiviertheit der ukrainischen Sprache, ganz zu schweigen vom ukrainischen Ursprungsland, das ein Minimum des heutigen Territoriums sei.
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