Dienstag, 6. April 2010

Ostern mit Budenzauber, aber nur in meinem Kopf

Mit großen Erwartungen ging ich an dieses Osterfest, mit einer Freude pustete ich rohe Eier aus, um sie anschließend mit Aufklebern in ukrainischer Nationaltracht in heißes Wasser plumpsen zu lassen, dass es mir selbst nicht ganz geheuer vorkam und so kam es, wie es immer kommt, wenn die Erwartungen und Phantasien übergroß sind, alles ist nur halb so verzaubernd, wie es in der Vorstellung abläuft.

Noch beeindruckt von meiner Messe in der Nähe vom westukrainischen Luzk, wo der Weihrauch das Atmen erschwerte, die rhythmisch wiederkehrenden Choräle das Bewusstsein langsam umsäuselten und außer Kerzenschein keine Lichtquelle, das Ganze zu einer echten Konzentrationsherausforderung im Stehen machte, erwartete ich ein noch intensiveres Gefühl zu Ostern, dem wichtigsten Fest in der russisch-orthodoxen Kirche. Nach sechswöchiger Fastenzeit, die hier beinahe vegan begangen wird, warten alle auf das große Fest, das nach Jesus Auferstehung stattfindet, und dem ein nächtlicher Gottesdienst vorweg geht. In Dunkelheit beginnt die Messe, die die spirituelle Dunkelheit vor der Christenheit symbolisiert. Erst gegen Mitternacht werden die Kerzen angezündet und in einer Prozession verkündet, dass Jesus auferstanden ist.

Was hier nach selbstgemachten Erfahrungen klingt, sind angelesene Halbweisheiten, denn anders als die Gläubigen hatten wir uns die Bäuche mit Pasta vollgeschlagen bevor wir vor Torschluss der letzten Metro aufbrachen, mit vielen touristischen Fotostopps unterbrochen - wir hatten französisch-russische Gäste dabei. Damit begann meine erste Enttäuschung, denn ich war alles andere als spirituell empfänglich nach 2 Gläsern Weißwein und das Ganze verkam zum touristischen Event. So sehr ich es mir auch einrede, nur weil ich zu solchen Festivitäten renne und vorher alles mögliche anlese und Leute befrage, so richtig begreifen kann ich es dann doch nicht und bleibe in der Beobachterposition außen vor […] Mystisch und dunkel, voll ja, aber nicht rempelnd und aggressiv, hatte ich mir dieses Ostern vorgestellt, mit Weihrauch und dunklen rhythmischen Gesängen während der nächtlichen Ostermesse, die über mehrere Stunden andauert und alle darauf warten ihre in Körben mitgebrachten Gaben segnen zu lassen. Stattdessen roch es nach ungewaschenen Menschen, die rücksichtslos nach vorn drängten, wo die Luft immer schneidender wurde, für die, die nicht mehr in die Kirche passten und das waren viele, gab es einen Freiluft-Gottesdienst mit Großleinwand und Life-Übertragung, wo man nicht nur den Priestern bei der Zeremonie sondern auch einem ernsthaft dreinblickenden Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch zusehen konnte, der ebenso am Spektakel teilnahm wie viele Kamerateams und mir unbekannte Prominente. Wir freuten uns an unseren Kopftüchern, die Pflicht sind für Frauen, und uns in alte Babuschki verwandelten, machten Gruppenfotos mit dem erstandenen Osterkuchen und verpassten so wohl die Botschaft. Denn zwei Stunden vor Ende brachen wir mit ungesegnetem Kuchen, dafür mit kalten Füßen wieder auf und ich frage mich mittlerweile, ob ich es ohne übergroße Vorstellungen anders interpretiert hätte.

Nichtsdestotrotz wünsche ich noch gesegnete Ostern nach Deutschland, wo alles etwas unaufgeregter begangen wird mit dem üblichen lokalen Gruß, den sich jeder Passant gestern einander zuwarf: Христос воскрес! (Jesus Christus ist auferstanden) und man antwortet: Воистину воскрес (wahrhaftig auferstanden).


P.S. Der Kuchen war auch ungesegnet lecker und beim Ostereieranschlagwettkampf lag ich zwar abgeschlagen hinten, war dann aber doch ganz versöhnt, denn die Ethno-Eier-Aufkleber, mit denen ich die Republik pflastere sind zwar nicht pünktlich vor Ort bei Euch gewesen, aber auf jeden Fall ein heißer Tipp für nächstes Jahr!

1 Kommentar:

  1. Hallo Vecna,
    ich habe grade Deinen Blog entdeckt und das genau zu einer Zeit, wo mir der Sinn eh grad nach "Abhauen" steht. Weit in den Osten wäre da nicht schlecht:-) Die ersten Blogs über Deinen Aufenthalt habe ich jetzt schon gelesen, v.a. auch die über Deine Kälte-Erfahrung in den Wintermonaten. Naja, mein Schlafsack bietet auch noch bis minus 10°C Komfort. Jetzt bin ich gespannt, wie es in Deiner Geschichte weitergeht und werde immer mal eine davon lesen und zumindest ein kleines bischen "abhauen".
    Noch viele schöne Erlebnisse wünscht Dir DreiPunkte

    AntwortenLöschen