Mittwoch, 7. Juli 2010

(Fach)-hochschulheimatstadt

So schlimm ist es hier ja gar nicht, dachte ich, als mir eben der Fahrtwind ins Gesicht blies, ich mich beglückwünschte die Brille zu tragen gegen die kleinen Insekten, die in dieser Hitze für sie auch zu später Stunde nicht müde werden mich anzufliegen.  Nur ich und ein Greifvogel der weit über mir seine Runden an einem blauen Julihimmel dreht, bevor die Sonne hinter den Kalkbergen zu meiner Linken verschwand. So schlimm ist es ja gar nicht. Die viel beschriebene Unzufriedenheit ist gewichen, seit dem mein schwarzer Gefährte mit aufgepusteten Reifen und ich mit Kamera durch die alte Heimat streifen, Lindenblüten und Johanneskraut sammelnd und all die Bücher lesend, die seit Monaten ihrer Daseinsberechtigung harren.

[...] Ich sitze in meinem Zimmer vor meiner Agatha Christie Sammlung, die nur 90 cm von mir entfernt steht, denn das Zimmer meiner Jugend ist nicht nur schmal, es ist auch voll. Nicht nur mit den Dingen, die ich hier ließ um sie nie zu vermissen. Alles ist hier, alles was ich besitze und nur selten in meiner Kiewer Zeit schmerzlich entbehre. So ist das also, der kleinen Dinge, die man lieb gewonnen glaubt, erinnert man sich nie. Eine minimalistische Existenz, seit dem mein Rechner stiften gegangen ist, versammle ich gar mein gesammeltes digitales Gedächtnis auf 2 MB.
[...] Ich glaube, ich möchte mich arbeitslos melden.“ So passiv sagte ich diesen Satz, dass die Dame hinter dem Tresen überrascht aufschaut und lächelt. „Aber ich möchte keine Leistungen beziehen.“ Ja das ist eher ein Satz, der nach mir klingt. Die ganze Prozedur eine Farce, meine Betreuerin empfiehlt mir mich doch besser selbst noch einmal einzuloggen in mein Profil, weil sie sich nicht sicher ist, ob sie mich in allen Punkten richtig verstanden hat. „ Also Sie haben studiert? – Einen Abschluss? Haben Sie den etwa auch?“ – „ Ja, natürlich“ – „Aber leider kann ich Ihr Fach nicht finden, wie wird das noch einmal buchstabiert?“ – Gut, dass das nur ein temporärer Zustand ist. Hoffen wir, dass ich auf diese Institution nie angewiesen sein werde. Schlimm nur, dass ich immer so schnell unleidlich werde.
[...] Nordhausen-Hochschulstadt, etwas geflunkert vielleicht, gibt es hier doch erst seit wenigen Jahren eine Fachhochschule. Na, man soll immer ja das Positive herausstellen. Das merke ich mir ab jetzt für zukünftige Bewerbungen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen