Montag, 14. Februar 2011

Kiew mein Wintermärchen

Ein abwägender Blick auf mich und die freie Stelle neben mir, genügt und sie schwingt sich auf das kleine Podest neben dem Fahrer, wo auch ich in der vollen Maschrutka Platz genommen habe. Ganz eng und kuschlig tuckern wir durch die Stadt, genauer am Dnjepr entlang, denn ich will auf die andere Seite der Stadt, dort wo die meisten Kiewer und Straßenhunde wohnen, wo die Metro langsamer als irgendwo über das ausgefahrene Gleisbett knattert und wo ich mit einem „Willkommen auf der anderen Flussseite“  begrüßt werde, als ich in der eisigen Sonne auf Johanna, Grund meines Ausflugs warte. Wie ein kleines Abenteuer kommt es mir vor, dabei habe ich nur mein Quartier verlassen, aber hier fühlt es sich zum ersten Mal seit Tagen an, als wäre ich wirklich in Kiew angekommen auf dem Weg in die Schlafstadt, die keine ist, sondern früher Bonzenviertel war wegen der Nähe zum Fluss und seinem Panorama auf Lavra und Dnjeprstrände, das im Eis ganz verwunschen wirkt im 14. Stock von Johannas Wohnblock.

Noch vor wenigen Tagen verklärte ich die ersten deutschen Frühlingszeichen. Auf der Fahrt durch die Ukraine fragte ich mich mehr als einmal, was ich hier eigentlich mache, suche und vor allem warum ich mir das antue. Nichts mehr von diesem Gefühl als wir die zweite Brücke über den blaßblauen Fluss nehmen, der an vielen Stellen durchweg gefroren ist, die Schollen, die vor wenigen Tagen noch einsam vor sich hintrieben, lassen sich erahnen. Die Eisfischer haben ihn bereits in Beschlag genommen, die grüne Färbung des Eises verrät die Dicke aber vor allem die Dünne des Unterfangens, ohne Risiko keine Fischerfreude. Bei diesen Minusgraden leuchtet die Stadt, die Luft knistert, der Asphalt ist weiß gepudert und die Menschen rosabewangt pusten kleine Wolken in die Luft, wie die Kraftwerke, die man am Horizont überall erkennt.
Ich genieße diese Kälte, weil ich so gut vorbereitet bin in diesem Jahr, weil meine Heizung funktioniert und sie den Kopf freipustet vom Gegrübel, was kommt und kommen soll.
Meine erste Maschrutka-Fahrt in diesem Jahr und ich kann mich nicht erinnern, wann ich meine letzte so bewusst erlebt habe, die kleinen Gucklöcher, die die Reisenden ins Eis am Fenster gekratzt haben, um die richtige Haltestelle zu erwischen. Die Verschiedenheit der Damenpelzmützen und Mäntel, an denen sich der Wohlstand einer Familie ablesen lässt, wie sonst nirgends. Ich wusste, dass es sich wieder einstellen würde, das Gefühl für das hier und das Abenteuer, das es eigentlich ist, hier zu sein, dass aber der Winter dabei helfen würde, habe ich nicht gedacht.

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