Sonntag, 6. Februar 2011

Sonntagslamento

Ich sitze auf einer fremden Couch in einer fremden Wohnung, vor deren Fenster Berlin seinen Sonntagsregen zelebriert und lese Zeitung. Alle. Die Wohnung ist voll davon, unberührte Seiten seit Beginn des Jahres und begreife, wie sehr mir das fehlt, wie weit ich weg war in den letzten Jahren. Wie sehr mir dieses deutsche Lamentieren und Moralisieren, die politischen Grabenkämpfe gefehlt haben, die kleinen Raffinessen meiner Sprache, die ich in keiner anderen so aufspüre. Da lächelt Sarah Wagenknecht in der ZEIT ihr „entrücktes Rosa-Luxemburg-Wiedergängerinnen-Lächeln und schlägt in der kalten Winterluft den Kragen ihres grauen Revolutionsmantels hoch“ und die FAZ geißelt die Doppelmoral unserer politischen Diskurse, von Fackeln die nicht zu Funzeln verkommen dürfen im Kampf um die Moral und Ägypten. Ich liebe es. Ich will wieder hier leben, in meinem biederen, sauberen, wohlstandsverwöhnten Land, will mich aufregen über die nicht eingeführte Frauenquote in Unternehmensvorständen, die Wolfsmentalität der Kirchen als Arbeitgeber im Schafspelz und und und... Und doch fahre ich morgen zurück und bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis ich dieses Gefühl, diesen Wunsch wieder vergessen haben werde. Ich werde mit ziemlicher Sicherheit davon berichten, wenn ich in der anderen Welt ankomme.

1 Kommentar:

  1. sehr poetisch.
    hoffentlich kommst du nach deinem roadtrip auch gut an in Kiew!

    AntwortenLöschen