Donnerstag, 10. August 2017

Tag 4: Tour vom Rifugio Willy Jervis zum Rifugio Barbara Lowrie (13km, 610m hoch und 680m runter)

12 Stunden arbeiten und 12 Stunden wandern - drunter machen wir es nicht...

Damit starte ich knurrend in die heutige Tour. Mir steckt die Wanderung von vorgestern noch in den Knochen, genauer in den Füßen und die Vorstellung, dass es heute wieder so eine Plackerei wird, löst nicht unbedingt Begeisterungsstürme aus, im Gegenteil schimpfend ziehe ich los. Sebastian kennt das schon. Irgendwann, wenn ich mich wieder eingelaufen habe, geht es dann immer und ich mache mit. Aber heute fällt es mir schwer. Dabei startet auch dieser Morgen strahlend im Val Pellice, kurz vor 8.00 Uhr haben wir alle Wassertanks beladen. Es soll uns nicht noch einmal passieren, dass wir beide am Berg heimlich die letzten Reserven voreinander verheimlichen und nicht trinken, damit es im Fall der Fälle der andere noch schafft. Heute also mit Picknick der Hütte und viel Wasser. Es wird ein heißer Tag werden, wie auch die letzten, so dass wir die Entscheidung nicht bereuen werden. Es warten 600 Höhenmeter auf uns - aber die einzigen heute und zwar auf einer entspannten Mulattiere, die sich den Berg entlang schlängelt. Die GTA-Route schlägt vor, sogenannte Abschneider zu nehmen, die sind uns aber zu steil und so steigen wir im Schatten des Colle Barant immer höher. Nach zwei Stunden erreichen wir den Giardano Botanico Peyronell, wo zwei Volunteers ihren Tagesdienst beginnen. Sie erzählen, dass sie jeweils eine Woche im Garten leben, bevor sie abgelöst werden. Jeder bringt sein Essen für eine Woche mit. Da bis Ende Juni der Garten mit Schnee bedeckt ist und nur im Juli und August die Blumen sprießen, ist es ein kurzer Dienst.
Der Garten wurde um 1900 gegründet von einem Botaniker und ist nicht künstlich angelegt, sondern bildet die natürliche alpine Flora ab - sie stecken einfach an den richtigen Stellem weiße Schildchen mit Namen in drei Sprachen dran. Sogar das sehr seltene fleischfressende Alpen-Fettkaut sehen wir, erkennen aber nicht ihre fleischfressende Ader. Auf den letzen Metern kämpfen wir uns den Berg hinauf. Ich habe schon wieder die Kohlenhydrate des Frühstücks verbrannt und falle ab, um kurz hinter dem Gioardano mit einem Caffe Latte und Schokokuchen mit spektakulärer Aussicht belohnt zu werden. Ein junger Hüttenwirt im Rifugio Barant spielt laut HipHop in seinem Gastraum, gegenüber davon zeigt sich der Mon Viso schon zum zweiten Mal. Das scheue Geschöpf wird umtanzt von Wolken, aber ganz verstecken kann er sich nicht. Es ist ein Jammer das Refugio Barant ist schon den 5 Sommer wieder auf, aber hartnäckig hält sich das Gerücht, dass sie geschlossen sind wegen Wasserproblemen. Unser Rother-Wanderführer ist von 2013 und die Blogs hatten wir nicht aufmerksam genug studiert. Denn hier aufzuwachen auf  dem Colle Barant mit seinen 2343 Metern gegenüber des Mon Viso stellen wir uns wunderbar vor.
Wir drehen ein Drohnenvideo für den Wirt, damit er es in einem seiner nächsten Musikvideos verwenden kann, verköstigen seinen selbgebrannten Thymianschnaps und ziehen dann in flimmernder Mittagshitze für den Rest des Tages bergab - auf der Mulattiere, in das Valone de La Gianna zum Rifugio Barbara Lowrie.
Das Rifugio ist umringt von Bergen und Wasserfällen, sanften, satten Wiesen, kleinen Bächen an denen sich Kälbchen und frei laufende Pferde tummeln. Diego am Berg meinte, es sei wie der Garten Eden. Und so ist es. Während ich hier im Garten Eden sitze und schreibe, grast einen braun gescheckte Kuh einen Meter von mir entfernt. Seit unserer letzten GTA Tour habe ich riesigen Respekt vor Kühen.

Ich bin immer noch davon überzeugt, dass sie mich attackierte, auch wenn sich am steilen Hang eventuell nur unsere Wege kreuzten, ich war sicher von ihr begraben zu werden, wenn sie auf mich stürzt. Ein hochalpine Kuh stürzt nicht, sagt Sebastian, aber ich war vor Panik kurz davor. Oh Gott, sie kommt näher. Sie grast quasi an meinen Füßen…
Immer wenn wir jetzt an Kühen vorbei kommen, bestätigt Sebastian meine Ängste: "Die machen gerade Pallawer, wer sich gleich auf dich draufschmeißen darf."
In diesem Sinne, eine wunderbare entspannte Tour auf der Grand Tour am Mon Viso. Morgen wird es wieder brutal. Keine Mullatiere weit und breit.

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