Montag, 29. November 2010

maximal ukrainisch - oder am Rande meiner Normalität

es gibt tatsächlich Leute die bei Google "Zigeunerfluch für Zuhause" eingeben und dann auf dieser Seite landen. Was machen die dann? Dem Ex- schlechten Mundgeruch an den Hals wünschen oder seiner Neuen ewige Kinderlosigkeit oder Cellulite? Noch besser finde ich ja, dass ich das hier alles nachverfolgen kann. Was wird er oder sie wohl gedacht haben, als er auf meine Seite verwiesen wurde? "Mist wieder keine Mengenangaben für Hühnerkrallen oder Kartoffelkäferdung"? Ich provoziere neue abstruse Suchanfragen und wollte doch eigentlich mal wieder eine abstruse ukrainische Geschichte schreiben, aus meinem Alltag aus dem Land, dass mal ein ukrainischer Schriftsteller bei einer Lesung etwa wie folgt für seine deutschen Leser beschrieb: Es gibt für jede Nation eine Realität, die für eine andere Nation längst im Reich der Märchenwelt liegen würde. Was für Ukrainer Normalität ist, also Normalität nicht in dem Sinne, dass Dinge, die sie erleben normal sein sollten, sondern als ihre tatsächlich erlebte Wirklichkeit, ist für Deutsche längst im Reich der Absurdität, des Unmöglichen angesiedelt. Ich wusste lange nicht, was er meint. Mittlerweile verstehe ich seine Bücher, die ich als humoristische Alltagspossen abtat besser. Der Mann weiß, wovon er spricht. Aber wie eine langlährige Ukrainekennerin und Freundin sagen würde: eine "maximal-ukrainische Geschichte" bitte, gut hier sei sie:

Maximal für meine Verhältnisse empfand ich bereits die Fahne des Schaffners, die uns entgegenschlug am Samstagmorgen als er uns vorschlug die Dreischlafwagenkabinen immer schön mit einem Jungen und zwei Mädchen zu besetzen. Dieser Witz eine alte Schlafwagenschaffnerehre, so scheint mir. Beruf ist nicht gleich Berufung. Das war offensichtlich. Denn der Zug war kalt, klar dass nicht der friert, der den ganzen Tag einen bestimmten Pegel hält und der seine Uniform ablegt, sobald die Grenze naht. Als hätten sie ihn drankriegen wollen, für sein Geschmuggel, als wäre je einem Schaffner bei der alltäglichen Fahrt etwas passiert. Ein gutes Geschäft bei einem Preis von 1,50 EURO pro Päckchen Zigaretten in der Ukraine und dem vierfachen in der Bundesrepublik. Seine Kinder muss er schließlich ernähren, so sagen ukrainische Kollegen. Was mit den Kindern anderer geschieht, die die grünen Drogen konsumieren, die die polnischen Zollbeamten weit hinten hinter der Verkleidung einer Heizung hervorziehen? Jeder muss gucken, wo er bleibt in diesen Zeiten. Als wäre das früher anders gewesen. Säcke ziehen sie schwitzend hervor, gefüllt mit Zigarettenstangen, was zurückbleibt, lässt seine Familie trotzdem besser dastehen, als der Durchschnitt. Beweist doch die Bande an Familienmitzug, die fröhlich durch den Waggon zieht mit ihrem Werkzeug und wenn nicht "gearbeitet" wird, in seiner Kabine Entspannung hochprozentig suchen.  So werden noch weit im polnischen Hinterland graue Plastiksäcke über den Gang gezerrt, den Akkuschrauber immer im Ohr. Denn der Zug ist voll, wir fühlen uns wie ein Alibi. Mein Unwillen mein Abteil zu verlassen, wird mit Unverständnis aufgenommen, als würde ich ihn in einer Amtshandlung stören. Ich, wütend, fange an zu streiten, meine Studenten sehen mich an: "aber Jana, das ist so, so ist das hier. Normal ist das. Was sollen wir tun." Meine Wut verpufft, keiner da, der sich ihr stellt, nur Überraschung ob meiner Aufregung. Ein maximal ukrainischer Moment.

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