Sonntag, 30. Mai 2010

Mein Kabinett der Skurrilitäten

Irgendwann bewegt man sich in einer Stadt, als erwarte man nichts Unerwartetes mehr und schon bleibt sie Zuhaus, die sonst so lästige Kamera, die einen in Momenten wie heute Abend schmerzlich fehlt. Aber was hätte ich da gezeigt: ein Kiew, das von meinem Retro-Eindruck, mit seinen rostenden Autos und ihren Besitzern aus den 70ern, seinen Kopftuchtragenden Babuschki und streunenden Kötern, das ich vermittele, vielleicht so gar nicht existiert, sondern nur in meinem Kabinett der osteuropäischen Skurrilitäten.

Denn das Kiew von heute Abend, war ein Sammelsurium schöner junger Menschen, dass man auch in Berlin Warschauer Straße oder am Kottbusser Tor findet. Heute Abend strahlte jeder um die Wette noch dollerer Individualität, auch wenn die Quote der "RayBan" Träger überdurchschnittlich hoch war. Die Uniformen von heute sind eben andere.
Da taucht man mit silberner Plastikmaschinenpistole und Lederpeitsche auf, weil der Veranstalter ausdrücklich gebeten hat auf Waffen zu verzichten um britischen Bands unter Sternenhimmel zu lauschen, nur selten unterbrochen vom Geläut, das aus dem Klosterkomplex von neben an hinüberläutet. Löcher im Boden von Ausstellungsräumen werden da schlichtweg in die Installationen eingebaut und werten so zum Teil eher tröge Bilder auf. Künstlerinnen verkaufen ihren Haarschmuck an verrückte Neureiche und Westlerinnen, die sich später am Abend zuhaus vorm Spiegel fragen, wann soll ich dieses Teil je tragen?[...]

Plötzlich erscheint Kiew in einem anderen Licht. Schön, dass es eben auch zum Ankommen gehört, mehrdimensional zu sehen und nicht immer den eigenen Stereotypen im Kopf hinterherzurennen.
Und so reihte ich mich ein an diesem Abend mit meinem RayBan Verschnitt, an dem es hieß "I love Kiev" um mir später am Abend vor meinem Spiegel die Frage zu stellen: Wann soll ich dieses Teil je tragen?

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