Freitag, 7. Mai 2010

Zwei Rubel für ein Bier (Krim I)


Als ich gerade noch durch die Nacht schlich zu Sophia, um die Wachen meines Gästehauses nicht zu wecken morgen in aller Frühe, wenn mein Flieger Richtung Deutschland geht, roch ich es, was mir alle prophezeit hatten: den Mai in Kiew. An jeder Ecke blüht der Flieder, die Kastanienblüten kleben an den Sohlen fest und Schwalben ziehen zirpend ihre Runden über den Unihof. Er ist da; der Frühling und heißt hier eigentlich Sommer, so warm sind die Abende, voll und wabernd, mit Straßenmusik und Straßenbier, ohne deutschen Dauerregen und Kalte Sophia und wie sie alle heißen diese Kaltwetterperioden. […] Nur mit der Kiewer Luft kam auch mein Räuspern wieder, das seit Czernowitz mein ständiger Begleiter ist und ich eigentlich hoffte auf der Krim zu lassen.

Ja, die Krim - Ausgangspunkt meiner neuen Geschichte - die Massenaufläufe dieser Tage produziert, wie sie in der Ukraine sonst nur noch zu kostenlosen Popkonzerten oder Dynamospielen möglich sind. Die Bilder der Verhovna Rada getaucht in Eigelb sind um die Welt gegangen, während sich in Sevastopol kein Mensch um die Aufregung in der ach so fernen Hauptstadt kümmert, denn gefühlt sind Moskau und St. Petersburg sehr viel näher. Und so heißt es hoffentlich morgen schon, was schon vor einer Woche zu lesen sein sollte:

Zwei Rubel für ein Bier (Krim I)

„Ich verstehe Sie nicht Mädchen, was wollen Sie?“ Dreimal versuchte ich meinen Wunsch verständlich zu machen: Ich wollte ein Lvivskie, ein westukrainisches Bier, schmackhaft, würzigherb und in diesem Moment vor allem eines: kalt. Genau 50 cm trennten mich von diesem kleinen Glück, doch erst die Frau des Verkäufers konnte helfen. Denn klar, in Sevastopol ist nicht zwangsläufig das, was die Flasche vorgibt zu sein, hier heißt das Bier wie die Stadt aus der es stammt, Lvovskie aus Lvov und nicht ukrainisch Lviv. Und damit sind wir mitten drin im Sprachenstreit, der hochaktuell dieser Tage durch einen weiteren die Gemüter erhitzenden Punkt angereichert ist: Die russische Schwarzmeerflotte und ihre Stationierung um weitere 30 Jahre und jedem ukrainischen Ukrainer ein Dorn im Auge, ein Stachel im Fleisch, der vor Augen hält, dass die Krim zwar seit Chruschtschows Geschenk dazugehört, aber so richtig vielleicht dann doch nicht. So wundert es kaum, dass ich an diesem Wochenende auf der Krim politische Lehrstunden erhielt, wie schon seit dem Studium nicht mehr.

Denn eines sollte ich begreifen, als das Mädchen aus Kiew, das an der Mohyla-Akademie lehrt, der ukrainischen Kaderschmiede, die Krim ist alles, Beginn der Seidenstraße nach Asien, griechische Siedlung, türkisch geprägte Stätte! Aber eines ist sie nicht: ukrainisch. […]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen